Amalgam (Teil 2): Sichere Verwendung von Dentalamalgam und seine schrittweise Reduzierung
Kontext
Die vorliegenden FDI-Stellungnahmen über die Sicherheit von Dentalamalgam (Mögliche lokale Unverträglichkeitsreaktionen bei Amalgamrestaurationen, 2007; Sicherheit von Dentalamalgam, 2007) und ihre Verwendung im Kontext der schrittweisen Reduzierung in Anwendung der Minamata-Konvention (Dentalamalgam und das Minamata-Übereinkommen (Quecksilber), 2014; schrittweise Reduzierung der Verwendung von Dentalamalgam, 2018) werden aktualisiert und zusammengefasst.
Da Dentalamalgam Quecksilber enthält, wurden Bedenken hinsichtlich seiner potenziellen Auswirkungen auf Patienten, Zahnärzte, zahnmedizinische Teams und die Umwelt geäußert. Dentalamalgam ist ebenfalls eine von mehreren Quellen für die Quecksilberbelastung der Umwelt, wenn auch nur in geringem Maße. Der zahnmedizinische Berufsstand ist sich jedoch der Aufgabe bewusst, die Verwendung von Quecksilber und auch von Dentalamalgam in Übereinstimmung mit der Bedarfssituation und den Wünschen des Patienten generell zu reduzieren. Der sichere Umgang mit Quecksilber und der sichere Umgang mit Amalgamabfällen sind Themen, die in der FDI-Stellungnahme Amalgam (Teil 1); „Sicherer Umgang mit Amalgamabfällen und Quecksilber“ beschrieben werden. Insbesondere die Schwerpunktverlagerung auf die Kariesprävention, laufende Forschungen und die Entwicklung neuer kostengünstiger Restaurationsmaterialien mit guter Qualität, Sicherheit, Haltbarkeit und Hafteigenschaften sowie guter Umweltverträglichkeit sprechen für eine schrittweise Reduzierung der Verwendung von Dentalamalgam.
Dentalamalgam ist ein klinisch bewährtes und erfolgreiches Füllungsmaterial für Zähne. Es setzt sehr geringe Mengen Quecksilber frei (im Nanogrammbereich), das zum Teil vom Körper aufgenommen wird. Die Menge des im Urin nachweisbaren Quecksilbers korreliert mit der Anzahl und Größe der Amalgamrestaurationen, wird aber für gewöhnlich stärker durch andere Quellen als Amalgam beeinflusst. Es wurden Vorbehalte hinsichtlich der sicheren Verwendung von Dentalamalgam für die Bevölkerung geäußert.
Die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse sehen keinen überzeugenden Zusammenhang zwischen vorhandenen Amalgamrestaurationen und degenerativen Krankheiten, Nierenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen, kognitiven Funktionen, Frühgeburten, Fehlgeburten oder sonstigen unspezifischen Symptomen in der Bevölkerung steht. Besonders gefährdet sind Patienten mit einer nachgewiesenen Allergie gegen Amalgam oder eine seiner Komponenten oder Patienten mit einer bestehenden schweren Nierenerkrankung. Wie bei jeder anderen medizinischen oder medikamentösen Intervention ist Vorsicht geboten, wenn die Verwendung von Restaurationsmaterialien bei schwangeren Frauen in Erwägung gezogen wird. Toxikologische Bedenken wurden ebenfalls hinsichtlich der Alternativen zu Dentalamalgam geäußert.1,2
Geltungsbereich
2013 wurde in der Minamata-Konvention (Quecksilber-Konvention) die schrittweise Reduzierung der Verwendung von Dentalamalgam für restaurative zahnmedizinische Behandlungen beschlossen. Das Übereinkommen wurde 2017 angenommen. Aus diesem Grund muss strategisch geplant und gehandelt werden, um die Notwendigkeit restaurativer Behandlungen unter Verwendung von Dentalamalgam zu verringern. Die Konvention verweist ebenfalls auf die Notwendigkeit, dass im zahnmedizinischen Studium größerer Wert auf Prävention gelegt wird und in die Lehrpläne auch alternative Restaurationsmaterialien und Techniken aufgenommen werden, gegebenenfalls auch minimalinvasive Eingriffe, falls zweckmäßig.
Definitionen
Die Minamata-Konvention: Ein internationales, vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen entwickeltes Übereinkommen, das den Abbau von Quecksilbererzen sowie den Handel und die Verwendung von Quecksilber regelt.
Dentalamalgam: Füllungsmaterial für Zähne, das durch Mischen von Quecksilber mit einer dentalen Amalgamlegierung hergestellt wird.3
Dentale Amalgamlegierung: Hauptsächlich aus Silber, Zinn und Kupfer bestehende Legierung in Form von losem oder in Tablettenform gepresstem Pulver, das bei Vermischung mit Quecksilber ein dentales Amalgam ergibt.3
Grundsätze
Die FDI unterstützt die Weltgesundheitsorganisation bei der Reduzierung der Verwendung von Dentalamalgam, indem sie die Nachfrage danach verringert. Diese Verringerung der Nachfrage kann bewirkt werden, indem verstärkt auf die Bedeutung der Prävention und der Gesundheitsförderung hingewiesen wird und an der Entwicklung und Verfügbarkeit alternativer Behandlungsmöglichkeiten geforscht wird. Die zahnmedizinische Behandlung sollte sicherstellen, dass Restaurationsmaterialien auch weiterhin in einer für Patienten und zahnmedizinische Teams sicheren und effektiven Weise und unter Einhaltung von Umweltschutzauflagen verwendet werden können.
Stellungnahme
- Alle Behandlungsentscheidungen sollten auf der aktuell verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz, dem besten Patienteninteresse und der besten klinischen Einschätzung durch den praktizierenden Zahnarzt beruhen und die Integrität der Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung berücksichtigen.
- Amalgamtätowierungen bewirken eine Verfärbung des Gewebes, sind aber ansonsten gutartig. Es ist keine Behandlung erforderlich. In seltenen Fällen können lokal begrenzte lichenoide Läsionen im Umfeld von Amalgamrestaurationen entstehen. Diese können auf zahlreiche Faktoren wie z. B. eine Autoimmunreaktion oder eine allergische Reaktion auf Amalgambestandteile zurückzuführen sein. Wenn solche Patienten bei einem Epikutantest allergisch auf Quecksilber oder andere Amalgamkomponenten reagieren, kann ein Ersatz der Restaurationen zu einem Abklingen der Schleimhautläsionen führen.
Die FDI unterstützt die folgenden Maßnahmen zur Reduzierung der Verwendung von Dentalamalgam:
- Höherer Stellenwert von Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung.
- Mehr Forschungsarbeit und Entwicklung qualitativ hochwertiger quecksilberfreier Werkstoffe für Restaurationen unter Berücksichtigung ihrer potenziellen Auswirkungen auf die Umwelt.
- Zweckmäßige Unterweisung in der Anwendung zweckmäßiger alternativer Restaurationsmaterialien und Techniken an Universitäten und in Weiterbildungsmaßnahmen.
- Verringerung und möglichst Vermeidung der Verwendung von Dentalamalgam:
- bei Läsionen, die auch mit anderen Restaurationsmaterialien behandelt werden können, besonders im Falle einer restaurativen Erstbehandlung und bei jungen Patienten;
- bei Patienten mit speziellen Gesundheitsproblemen wie einer schweren Nierenerkrankung oder Patienten mit allergischen Reaktionen auf Amalgam oder (erosiven) lichenoiden Kontaktreaktionen der Mundschleimhaut;
- ausgenommen dann, wenn dies vom Zahnarzt aufgrund der besonderen medizinischen Bedürfnisse des Patienten und der klinischen Situation als erforderlich angesehen wird. Diese Stellungnahme kann in anderen Ländern oder Regionen und bei Geltung besonderer gesetzlicher Regelungen individuell umgesetzt werden.
Schlüsselwörter
Prävention, alternative Restaurationsmaterialien, Ausbildung, Amalgam, Quecksilber, Minamata-Übereinkommen
Disclaimer
Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.
Literaturhinweise
- Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR). The safety of dental amalgam and alternative dental restoration materials for patients and users. European Commission; 2015. Available from: https://ec.europa.eu/health/scientific_committees/emerging/docs/scenihr_o_046.pdf.
- Ajiboye AS, Mossey PA; IADR Science Information Committee, Fox CH. International Association for Dental Research Policy and Position Statements on the Safety of Dental Amalgam. J Dent Res. 2020 Jul;99(7):763-768. Available from: doi/10.1177/0022034520915878
- International Organization for Standardization. Dentistry – Vocabulary. International Organization for Standardization ISO. Document number: 1942:2020. Available from: https://www.iso.org/standard/72249.html1.